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Bildung Projekte

Schöne neue Lernwelt

Informationstechnologie, digitale Medien, das Internet sowie die „Informationsmobilität“ stehen für die bislang letzte große
grundsätzliche Veränderung der Medienlandschaft. Menschen kommunizieren anders untereinander und mit Maschinen, die
auch untereinander kommunizieren können.

Bert Zulauf, 2015 in ZIM die erste Dekade
hoersaal

Um die positiven Effekte dieses Umbruchs zu betonen und die negativen Effekte zu berücksichtigen, ist eine veränderte Sicht auf Lernen und Lehren hilfreich.

Universitäten und Hochschulen sind auf besondere Weise betroffen und beschäftigt mit der digitalen Transformation. Auf der einen Seite geht es darum, zukunftsfähige Konzepte für die Kernprozesse Forschung und Lehre zu entwickeln und die Wissenschaftsadministration dahingehend anzupassen. Andererseits geht es um Kompetenzen der Studierenden, der Lehrenden, der Forschenden und der weiteren Akteure im Wissenschaftsbetrieb. Für beide Aspekte spielt die Gestaltung der Umgebung, der „Lernwelt“ eine wichtige Rolle.

6 Positionen

Bildung sollte ein Basis-Baustein sein, auf den Menschen jederzeit barrierearm zugreifen können

Immer mehr und neue Methoden ermöglichen Zugang zu Wissen und Informationen. „Lernwelten“ könnten den Kompetenzerwerb beim Wechsel von Schulen an Universitäten und Hochschulen unterstützen, beispielsweise durch begleitete Angebote innerhalb der Studieneingangsphase. Sie können dazu beitragen, dass Lernende und Lehrende Erfahrungen und Kompetenzen mit modernen Methoden oder Themen, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz, Virtual- /Augmented Reality, Media Literacy und Data Literacy sammeln können.

Hochschulen und Schulen sollten diesen Veränderungsprozess aktiv mitgestalten

Bislang findet eine zukunftsweisende Gestaltung von „Lernwelten“ lokal in einigen Universitäten, Hochschulen oder informierten Kreisen statt. Diese zum Teil heute noch als herausragende, einzelne Veränderungen wahrgenommenen Irritationen im Hochschulbauwesen sollten mehr Beachtung finden und vor allem als Zukunftsvision weniger Irritation auslösen. Die Informationen zu solchen innovativen Lernraumprojekten und Praxisbeispiele können als Blaupausen für weitere Veränderungsideen oder Planungen dienen, Anregungen zum Informationsaustausch bieten und Bewusstsein für die Gestaltung von „Lernwelten“ im Wissenschaftsmanagement und in der Politik schaffen.

Erfahrungen und auch Fehler beim Einsatz innovativer Technologien und Medien sollten als aktive Lernkomponenten (aller) angesehen werden.

Lernende stehen vor der explosionsartigen Zunahme von Wissen und Informationen und der damit einhergehenden Zunahme von Wissenschaftlern, Methoden, Tools und Zugangsmöglichkeiten zu Informationen. Hochschulen sollten die Möglichkeiten dieser Wissensgesellschaft nutzen und offen für neue Erfahrungen sein, um auch die möglichen Risiken zu erkennen und zu berücksichtigen.

„Lernwelten“ können bei der Gestaltung des Formats und als kreative Räume unterstützen. Neue, innovative Formate erfordern möglicherweise ein radikaleres Umdenken bei Bau- und Umbaumaßnahmen.

Rahmenbedingungen sollten geschaffen werden, bei denen die Veränderung von instruktionszentriertem Lehren hin zu unterstützendem und beratendem Lehren hilfreich sind und die Selbstorganisation Studierender fördern.

Es stellen sich Fragen zur Veränderung von Hörsälen oder Seminarräumen und ob in deren Umgebung zusätzliche „Lernwelten“ für kleinere Gruppen möglich sind. Die Reflexion und Unterstützung von Studierenden, die sich Wissen zunehmend eigenständig erarbeiten sollen, ist diesbezüglich eine wichtige Rahmenbedingung.

Strategien sollten taktische Komponenten enthalten und kurzfristiger, dynamischer und proaktiv Wirkung entfalten.

Die Gestaltung von „Lernwelten“ ist eine strategische Aufgabe mit taktischen Komponenten. Größeren Baumaßnahmen gehen lange Planungszeiten und Finanzierungsrunden voraus. Hochschulen sollten frühzeitig Fakultäten, Fächer und Infrastruktureinrichtungen wie Bibliotheken, Rechen- und Medienzentren und Baudezernate zusammenbringen und solche Maßnahmen durch ein übergreifendes Gesamtkonzept eingeordnet umsetzen. Die Zusammenarbeit von Fakultäten oder Fächern mit Infrastruktureinrichtungen spielt zusätzlich eine wichtige Rolle, um die notwendige Heterogenität der Raumbedarfe mit abzubilden: Bei Neubaumaßnahmen in den Naturwissenschaften werden etwa 70 % Laborflächen geschaffen und auch im Bereich der Medizin oder bei den Ingenieurwissenschaften finden sich Beispiele für sehr unterschiedliche Bedarfe.

Zusätzlich können taktische Komponenten helfen, um im Rahmen der Bauplanung oder später im Baubestand kurzfristiger und dynamischer Anpassungen, Ergänzungen oder Veränderungen umzusetzen. Solche Komponenten setzen eine zum Teil universale, flexible und agile Planung und Governance voraus und ermöglichen Hochschulen schneller neue oder veränderte Bedarfe aufzugreifen und proaktiv Wirkung zu entfalten.

Aus Bauen sollte mehr und schnelleres Umbauen werden; der Baubestand muss daher anpassungsfähiger werden.

Für die zukünftige Gestaltung von „Lernwelten“ sollten umfangreichere, bessere und schnellere Umbaumöglichkeiten entwickelt werden und der vorhandene Baubestand muss anpassungsfähiger werden.

Kommunikation verändert sich: Menschen kommunizieren anders miteinander und mit Maschinen, die auch untereinander kommunizieren können. Beispielsweise Kommunikation über mobile Endgeräte, die derzeit in Schulen stark reglementiert ist, wird ab der Studieneingangsphase als selbstverständliches Instrument zur Informationsbeschaffung vorausgesetzt.

Aus „pen & paper“ wird „bring your own device“.


Aus dem persönlichen Umfeld kennen Studierende Kommunikationstools und „Digitale Assistenten“ zu deren Potenzialen an Hochschulen bislang kaum Erfahrungen existieren.
Die Gestaltung von „Lernwelten“ sollte Raum für Innovationen und Experimente beinhalten. Studierende sollten generell einbezogen werden und solche Gestaltungs- oder Innovationsprozesse begleiten oder die Möglichkeit erhalten, Teil des Prozesses oder Experiments zu werden.

Die Studienanfängerquote ist in den letzten 10 Jahren in Deutschland nochmals deutlich angestiegen auf derzeit über 55 % – damit ist Studieren und der Erwerb wissenschaftlicher Kompetenz mitten in der Gesellschaft angekommen. Hochschulen sind „öffentliche Räume“ und können als Schnittstelle zu Technik, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Verantwortung übernehmen und Antworten geben. Lernwelten sollten mit „(welt)offener Architektur“ einen barrierearmen Zugang zu Bildungsgelegenheiten und Lernmöglichkeiten schaffen und Gestaltungsspielräume offen lassen. Neben hochschul-spezifischen Ideen sollten die Ideen und Möglichkeiten verbreitet werden, die sich aus der Gestaltung von „Lernwelten“ an Hochschulen ergeben und deutschlandweit breit genutzt werden. Hervorzuheben sind Bereiche wie die Studieneingangsphase, die Zusammenarbeit von Hochschulen mit Schulen und die Orientierung von Schülern bei der Studienwahl sowie die Hochschule als „öffentlicher Raum“ und als Ort für lebenslanges Lernen.

Weitere Informationen

„Lernwelt Hochschule : Dimensionen eines Bildungsbereichs im Umbruch“ / Stang, Richard; Becker, Alexandra (Hrsg.), S. 182-210. Berlin: De Gruyter Saur. DOI:10.1515/9783110591026-010

„Zukunft Lernwelt Hochschule : Perspektiven und Optionen für eine Neuausrichtung“ / Stang, Richard; Becker, Alexandra (Hrsg.), S. 213-256. Berlin: De Gruyter Saur. DOI:10.1515/9783110653663-020