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Veränderungen auf Regierungswebsites nach Wahlen oder durch einen Regierungswechsel
Ein Regierungswechsel, insbesondere durch Wahlen, führt häufig zu Veränderungen auf offiziellen Internetseiten, insbesondere solchen von Ministerien, Behörden und Regierungsorganisationen. Diese Veränderungen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen:
- Inhaltliche Anpassungen
- Entfernung oder Ergänzung politischer Programme und Initiativen der Vorgängerregierung.
- Neue Schwerpunkte beispielsweise bei Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik oder bei Sozialprogrammen.
- Veränderung der Wortwahl oder Tonalität (z. B. „Klimawandel“ vs. „saubere Energie“).
- Struktur- und Designänderungen
- Neue Logos, Farben oder Layouts, die zur neuen Regierung passen.
- Änderungen in der Navigation oder Neugestaltung von Portalseiten.
- Löschen oder Verbergen von Inhalten
- Entfernen von Berichten, Forschungsdaten oder statistischen Erhebungen, die nicht zur neuen politischen Agenda passen.
- Deaktivierung von Subdomains oder kompletten Webseiten.
- Technische Veränderungen
- Migration von Servern oder Umstrukturierung der Webinfrastruktur.
- Änderungen der Suchmaschinenoptimierung (SEO) oder Zugriffsbeschränkungen.
- Archivierung und Transparenz
- In manchen Ländern gibt es gesetzliche Vorgaben zur Archivierung offizieller Inhalte.
- Projekte wie das „End of Term Web Archive“ dokumentieren solche Veränderungen.
Welche Erkenntnisse gibt es oder welche Aspekte sind Gegenstand von Studien oder Untersuchungen?
Bei der Recherche ist mir, neben einigen Presseberichterstattungen und mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wahrnehmung von neuen Regierungen nach einem Regierungswechsel auch die folgende Studie aufgefallen:
„Visualizing changes to US federal environmental agency websites, 2016–2020“
Die Studie untersucht, wie sich die Websites US-amerikanischer Umweltbehörden während der Amtszeit der Trump-Administration verändert haben. Die Forscher analysierten eine große Anzahl von Webseiten und stellten fest, dass zwischen 2016 und 2020:
- Die Verwendung des Begriffs „Klimawandel“ um etwa
38% zurückging. - Der Zugriff auf bis zu 20 % der Inhalte der Environmental Protection Agency (EPA) entfernt wurde.
- Änderungen insbesondere bei Ministerien und auf besonders sichtbaren Seiten vorgenommen wurden.
Die Studie betont die Bedeutung der systematischen Beobachtung solcher Änderungen, um die Verantwortlichen für ihre Vorgehensweisen zur Rechenschaft zu ziehen. Die entwickelten Visualisierungstechniken sollen sowohl Forschern als auch anderen Akteuren helfen, das Ausmaß der Auswirkungen einer Administration auf die Online-Präsenz der Regierung besser zu verstehen.
Diese Beobachtungstechniken haben auch einige Werkzeuge zu Tage gebracht, wie beispielsweise hier beschrieben:
Tracking regulatory changes in the second Trump administration
https://www.brookings.edu/articles/tracking-regulatory-changes-in-the-second-trump-administration
Das Brookings Institute bietet einen Regulierungs-Tracker an, der bedeutende regulatorische und deregulierte Änderungen während der zweiten Amtszeit der Trump-Administration überwacht. Dieser Tracker ermöglicht es, Verzögerungen, Aufhebungen und neue Regelungen in Schlüsselbereichen wie Umwelt, Gesundheit und Arbeit nachzuverfolgen. Obwohl der Fokus auf regulatorischen Änderungen liegt, bietet er Einblicke in die politischen Verschiebungen, die sich auch auf die Darstellung und den Inhalt von Regierungswebsites auswirken können.
Damit beschäftigt sich auch die Presse, wie beispielsweise in dem nachfolgenden Artikel von Wired.
US Government Websites Are Disappearing in Real Time
https://www.wired.com/story/us-government-websites-are-disappearing-in-real-time
Dieser Artikel von Wired untersucht, wie während der Trump-Administration mehrere US-Regierungswebsites, hauptsächlich solche im Zusammenhang mit der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) und Jugendprogrammen, offline genommen wurden. Die Analyse ergab, dass mindestens sieben mit USAID verbundene Websites innerhalb von zwei Stunden abgeschaltet wurden. Diese Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit neuen Richtlinien, die die Sprache auf Bundeswebsites einschränken, insbesondere in Bezug auf Gender-Themen. Mitarbeiter äußerten Bedenken hinsichtlich des Verlusts von jahrzehntelangen, durch Steuergelder finanzierten Berichten und des Zugangs zu kritischen Systemen.
Ein anderes Werkzeug steht mit der Archivierung von Regierungs-Webseiten zur Verfügung.
Archivierung von Regierungswebsites
End of Term Web Archive
Das End of Term Web Archive (EOT) ist ein gemeinschaftliches Projekt, das 2008 ins Leben gerufen wurde, um US-Regierungswebsites während des Übergangs zwischen Präsidentschaftsadministrationen zu archivieren. Ziel ist es, Veränderungen auf Regierungswebsites zu dokumentieren und deren Inhalte für die Öffentlichkeit und die Forschung zugänglich zu machen.
Das End of Term Web Archive ist ein gemeinschaftliches Projekt mehrerer Partnerinstitutionen, die zusammenarbeiten, um US-Regierungswebsites während des Übergangs zwischen Präsidentschaftsadministrationen zu archivieren.u den Partnern des EOT 2024 gehören:
- Internet Archive
- Environmental Data & Governance Initiative
- University of North Texas Libraries
- Stanford University Libraries
- Webrecorder
- Common Crawl Foundation (CCF)
Diese Partner bringen ihre jeweiligen Fähigkeiten und Ressourcen ein, um die Webinhalte der US-Regierung zu sammeln, zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.ie Zusammenarbeit ermöglicht es, ein umfassendes Archiv der digitalen Präsenz der US-Regierung während politischer Übergangsphasen zu erstellen.
Aufbau der Sammlungen
Die Zusammenarbeit begann im Sommer 2008, als Partnerinstitutionen beschlossen, gemeinsam die Webinhalte der US-Regierung zum Ende der Bush-Administration zu erfassen. Ein umfassender Crawl der Regierungsdomains (.gov, .mil, .org usw.) startete im August 2008. Zusätzlich wurden Experten wie Bibliothekare und Forscher hinzugezogen, um besonders gefährdete Websites zu identifizieren und priorisiert zu archivieren. Dieses Vorgehen wurde bei nachfolgenden Regierungswechseln fortgesetzt, einschließlich der Übergänge 2012, 2016 und 2020.
Kollaborativer Ansatz
Durch die Zusammenarbeit brachten die Partner verschiedene Fähigkeiten und Ressourcen in das Projekt ein. Einige führten Web-Crawls durch, andere koordinierten Projekte und Freiwillige oder entwickelten Benutzeroberflächen und unterstützten den Datentransfer zwischen den Partnern.
Technische Innovationen
Die Größe und der Umfang des Projekts führten zu neuen Entwicklungen in der Webarchivierung. Beispielsweise entwickelte die University of North Texas das „Nomination Tool“, um die Identifizierung und Beschreibung von US-Regierungswebsites zu erleichtern. Alle Partner nutzten den Webcrawler „Heritrix“ zur Datenerfassung. Die Library of Congress entwickelte die „Bagit Library“, eine Open-Source-Java-Bibliothek, um den Datentransfer zwischen den Institutionen zu unterstützen.
Das EOT-Projekt hat dazu beigetragen, digitale Regierungsinformationen zu bewahren und der Öffentlichkeit sowie der Forschung langfristig zur Verfügung zu stellen.
EU-Webarchiv
In Europa und Deutschland gibt es ebenso Initiativen zur Archivierung von Regierungswebsites beispielsweise das EU-Webarchiv oder die Deutsche Nationalbibliothek (DNB).
Das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union betreibt das EU-Webarchiv, das seit 1996 die Websites der EU-Organe, -Einrichtungen und -Agenturen archiviert. Ziel ist es, die von den EU-Institutionen bereitgestellten Informationen auch dann verfügbar zu halten, wenn die ursprünglichen Websites nicht mehr online sind.
Überblick der Funktionen des EU-Webarchivs
- Archivierung von Webinhalten: Das Archiv speichert regelmäßig Kopien der Websites der EU-Institutionen, um sicherzustellen, dass Informationen auch dann zugänglich bleiben, wenn die Originalseiten geändert oder entfernt werden.
- Thematische Sammlungen: Die archivierten Websites sind in thematischen Sammlungen organisiert, darunter:
- Europäische Union: Umfasst etwa 250 Websites auf der Domain europa.eu, die regelmäßig erfasst werden.
- Brexit-Archiv: Sammelt Websites und Dokumente im Zusammenhang mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU.
- Horizon 2020: Beinhaltet Websites, die im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 erstellt wurden.
- Präsidentschaften des Rates der EU: Archiviert Websites, die während der wechselnden EU-Ratspräsidentschaften erstellt wurden.
- Publikationen: Enthält HTML-Versionen von EU-Veröffentlichungen.
- Mehrsprachigkeit: Das Archiv erfasst Websites in allen verfügbaren Sprachversionen. Statistiken zeigen, dass:
- 41% der archivierten Websites nur auf Englisch verfügbar sind.
- 39% in 23 oder 24 Sprachversionen vorliegen.
- 13% in mehreren Sprachversionen verfügbar sind, oft einschließlich Englisch, Französisch und Deutsch.
- 7% in 25 oder mehr Sprachversionen verfügbar sind, insbesondere bei Themen mit globaler Reichweite wie Migration, Kultur oder Umwelt.
- Zugänglichkeit: Das Archiv ist öffentlich zugänglich und ermöglicht es Nutzern, frühere Versionen von Websites zu durchsuchen und deren Entwicklung im Laufe der Zeit nachzuverfolgen. Dies ist besonders nützlich für Forschungszwecke und zur Sicherstellung der Transparenz von EU-Informationen.
Durch diese Funktionen stellt das EU-Webarchiv sicher, dass digitale Informationen der EU-Institutionen langfristig erhalten bleiben und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Neben dem EU-Webarchiv existieren eine Reihe von Archiven die seitens der EU durch Das „Historische Archiv der Europäischen Union“ (HAEU) mit Sitz in Florenz verwaltet und bereitgestellt werden.
Das EU-Webarchiv und das Historische Archiv der Europäischen Union haben unterschiedliche Aufgaben und Schwerpunkte in der Bewahrung von Informationen der EU:
EU-Webarchiv:
- Zweck: Archiviert die Websites der EU-Institutionen, -Agenturen und -Einrichtungen, um sicherzustellen, dass die von ihnen bereitgestellten Informationen auch dann verfügbar bleiben, wenn die ursprünglichen Websites geändert oder entfernt werden.
- Inhalte: Speichert regelmäßig Kopien von Websites, einschließlich ihrer Inhalte und ihres Designs, seit 1996.
- Zugänglichkeit: Öffentlich zugänglich, ermöglicht es Nutzern, frühere Versionen von Websites zu durchsuchen und deren Entwicklung im Laufe der Zeit nachzuverfolgen.
Historisches Archiv der Europäischen Union
- Zweck: Bewahrt die offiziellen historischen Archive der EU-Institutionen und macht sie der Forschung und der Öffentlichkeit zugänglich.
- Inhalte: Sammelt und archiviert Dokumente der EU-Institutionen gemäß der 30-Jahres-Frist, darunter offizielle Akten, private Papiere von Personen und Organisationen, die an der europäischen Integration beteiligt waren.
- Zugänglichkeit: Bietet Forschern und der interessierten Öffentlichkeit Zugang zu physischen und digitalen Dokumenten zur Geschichte der europäischen Integration.
Das EU-Webarchiv konzentriert sich auf die Bewahrung der digitalen Präsenz der EU-Institutionen durch die Archivierung von Websites, während das HAEU offizielle Dokumente und Akten der EU-Institutionen sowie relevante private Sammlungen sammelt und für die Forschung bereitstellt.
Die Deutsche Nationalbibliothek
https://www.dnb.de/DE/Professionell/Sammeln/Sammlung_Websites/sammlung_websites_node.html
In Deutschland gibt es Bestrebungen zur Archivierung von Webinhalten, beispielsweise durch die DNB. Die DNB hat Projekte zur Sammlung und Archivierung von Online-Publikationen durchgeführt, einschließlich Websites von Bundesbehörden.
Zielgruppe
Solche Archive wie das End of Term Web Archive oder das EU-Webarchiv sind wertvolle Informationsquellen für verschiedene Zielgruppen:
- Forscher und Akademiker suchen oft historische Daten zu politischen, sozialen und kulturellen Themen. Sie nutzen diese Archive, um die Kommunikation und politische Ausrichtung vergangener Regierungen zu analysieren.
- Journalisten und Medien können Archive nutzen, um verlässliche Quellen für Berichterstattung über frühere politische Ereignisse, Entscheidungen und öffentliche Diskussionen zu finden. So wird die Überprüfung von Aussagen und eine genauere Darstellung von Regierungsdokumentationen möglich.
- Politikwissenschaftler und Historiker nutzen solche Archive zur Analyse von politischen Entwicklungen und Trends sowie zur Untersuchung der Auswirkungen bestimmter politischer Entscheidungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft.
- Juristen und Rechtsexperten: Für rechtliche Untersuchungen oder bei der Prüfung von Gesetzgebungsprozessen können diese Archive von Bedeutung sein. Sie helfen, gesetzgeberische Entwicklungen nachzuvollziehen und vorherige politische Entscheidungen zu überprüfen.
- Öffentlichkeit und Interessierte: Auch Bürger oder Aktivisten, die ein Interesse daran haben, wie politische Entscheidungen getroffen wurden, und wie frühere Regierungen bestimmte Themen behandelt haben, könnten auf diese Archive zugreifen, um historische Informationen zu verstehen und möglicherweise auch aktuelle politische Diskussionen zu hinterfragen.
Die Nutzung solcher Archive ist von Interesse für Menschen, die ein tieferes Verständnis für historische Regierungsentscheidungen und deren langfristige Auswirkungen entwickeln möchten.